BürgerkontenEin Nachteil des Wohlfahrtsstaates liegt darin, dass kaum noch zu unterscheiden ist, wer zu den „Gewinnern“ (Nettoentnahme aus den Solidarkassen) und wer zu den „Verlierern“ (Nettozahlung) gehört. Um diesbezüglich Transparenz zu schaffen, verbucht man auf Bürgerkonten die Einzahlungen von einzelnen Bürgern in große Kassen einer Solidargemeinschaft (Aktivseite) und die Zahlungen aus diesen Kassen zugunsten des Bürgers (Passivseite). ZieleEin großer Nachteil des Wohlfahrtsstaates liegt darin, dass kaum noch zu unterscheiden ist, wer zu den „Gewinnern“ (Nettoentnahme aus den Solidarkassen) und wer zu den „Verlierern“ (Nettozahlung) gehört. Die mangelnde Transparenz führt zu zahlreichen unerwünschten Reaktionen, z. B.:
Die WI könnte in Gestalt der Integrierten Bürgerkonten einen Beitrag zur Lösung des gesellschaftlichen Problems leisten. WesenAuf Bürgerkonten [Jung, Kluge o.J.] verbucht man die Einzahlungen von einzelnen Bürgern in große Kassen einer Solidargemeinschaft (Aktivseite) und die Zahlungen aus diesen Kassen zugunsten des Bürgers (Passivseite). Bestimmte geldwerte Leistungen, die nicht mit Finanztransaktionen verbunden sind, können mit Opportunitätskosten bewertet werden. Zu unterscheiden sind einzelne Bürgerkonten und deren Integration zu einem einzigen, dem Integrierten Bürgerkonto (IBK) (vgl. Abb. 1). Abbildung 1 zeigt fünf Bürgerkonten, die wir in der Folge kurz beschreiben. Abb. 1 Einzelne Bürgerkonten Beispiele aus Theorie und PraxisIndividuelle ArbeitskontenDie einzelnen Varianten lassen sich auf folgendes Grundprinzip zurückführen: Für jede Bürgerin und jeden Bürger wird zentral bei einer staatlichen, halbstaatlichen oder privaten Institution ein Konto eingerichtet. Die (Zwangs-)Abgaben, wie z. B. Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherungsbeiträge, werden dem Konto als Ertrag zugeführt, die empfangenen Leistungen als Aufwand (der Solidargemeinschaft). Diese Arbeitskonten, die die finanziellen Beziehungen zwischen Arbeitnehmer und Staat wiedergeben, sind nicht mit Zeitwertkonten zu verwechseln. Auf Letzteren spart der Arbeitnehmer den finanziellen Gegenwert von Mehrarbeit (v. a. Überstunden, Verzicht auf Urlaub) als Forderung gegenüber dem Arbeitgeber. Dieser zahlt später zurück, z. B. indem er während einer Teilzeitphase den vollen Lohn vergütet. Individuelle GesundheitssparkontenIndividuelle Gesundheitssparkonten haben unter der Bezeichnung „Medical Savings Accounts“ als Instrument zur Finanzierung von Gesundheitssystemen internationale Aufmerksamkeit erregt. Sie wurden in einigen Ländern bereits eingeführt, in anderen in Pilotprojekten erprobt und werden schließlich in weiteren Staaten diskutiert. Jeder Bürger zahlt monatlich allein oder unter Beteiligung seines Arbeitgebers unter gewissen Nebenbedingungen einen festgelegten absoluten Betrag oder einen prozentualen Anteil seines Bruttoeinkommens auf sein Konto ein. So wird ein Kapitalstock gebildet, auf den im Krankheitsfall zurückgegriffen werden kann [Schreyögg 2003], [Mertens 2007]. Konto Bildung/AusbildungAuf dem Konto erscheinen auf der Einnahmenseite die akkumulierten Gebühren, die der Bürger an Kindergärten, Schulen, Hochschulen und Weiterbildungseinrichtungen entrichtet. Auf der Ausgabenseite werden die anteiligen Vollkosten des Ausbildungsplatzes verbucht. Konto Steuern und SubventionenHier sind die direkten Steuern (u.a. Lohn-/Einkommensteuer, Gewerbesteuer, Grundsteuer, Erbschaftsteuer, Kfz-Steuer), die also in der Finanzverwaltung personalisiert gespeichert werden, die wichtigste Position auf der Aktivseite. Den direkten Steuern sind die direkten Subventionen gegenüberzustellen, z. B. zur energetischen Sanierung eines Eigenheims oder zum Kauf eines PKW, dessen Abwrackung oder Hardware-Umrüstung. Konto EhrenamtUm die Administration nicht zu kompliziert werden zu lassen, wäre an standardisierte Opportunitätskosten (z. B. Pauschalen für Übungsleiter in Sportvereinen) zu denken. Sozialkonto in China
In der Praxis am weitesten getrieben sind die sogenannten Sozialkonten in der VR China. Verbucht werden auch Verhaltensdaten zur Überwachung von Personen, etwa Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung oder unliebsame politische Äußerungen. Zur Bewertung dienen nicht Geldbeträge, sondern Punkte. GestaltungsalternativenAbbildung 2 zeigt wesentliche Gestaltungsoptionen in Form eines Morphologischen Kastens: Abb. 2 Morphologischer Kasten zu Merkmalsalternativen eines IBK Aufgaben der WirtschaftsinformatikOperative SystemeAuf operativer Ebene kann die Wirtschaftsinformatik zwei Arten von Kompetenzen einbringen:
Ausgewählte Möglichkeiten der Datenbeschaffung und Datenintegration können hier nur skizziert werden. (Näheres findet sich in [Mertens, Jung 2006] und [Mertens 2007]. Der komplette Bericht zu [Mertens, Jung 2006] kann hier heruntergeladen werden.) Übertragung von Methoden aus dem Feld der Management-Informations-SystemeBei der Gestaltung des einzelnen IBK bieten sich die folgenden in der Wirtschaftsinformatik entwickelten Instrumente an:
Ausgewählte ProblemeDas Hauptproblem der Bürgerkonten ist das der politischen Durchsetzbarkeit in der Demokratie. Es kann nur spekuliert werden, wie die Bürger mit potenziellen Aktivsalden langfristig reagieren. Dominiert der Stolz, zu den Leistungsträgern der Gesellschaft zu zählen? Oder wird weiterhin bei vielen das Bestreben vorherrschen, ein überdurchschnittliches Einkommen, das der häufigste Grund überdurchschnittlicher Einzahlungen ist, zu verschweigen? Wie stark werden sich Bürger mit Passivsalden dagegen wehren, als Versager am Pranger zu stehen?
LiteraturJung, M.; Kluge, J.: Projekt Deutschland: Neu Denken. Broschüre der McKinsey & Company, Inc., o.O. o.J. Mertens, P.: Bürgerkonten. WIRTSCHAFTSINFORMATIK 49 (2007) 3, S. 217-220. Mertens, P.; Jung, M.: Das Integrierte Bürgerkonto - Eine Langfristaufgabe der Wirtschaftsinformatik? Arbeitspapier Nr. 2/2006 der Wirtschaftsinformatik I, Erlangen-Nürnberg 2006 (Download unter: http://www.wi1.uni-erlangen.de/sites/wi1.uni-erlangen.de/files/burgerkonto.pdf). Mertens, P.; Meier, M. C.: Integrierte Informationsverarbeitung, Band 2: Planungs- und Kontrollsysteme in der Industrie. 10. Aufl., Wiesbaden 2009. Schreyögg, J.: Eine internationale Bestandsaufnahme des Konzepts der Medical Savings Accounts und seine Implikationen für Deutschland, Zeitschrift für die Gesamte Versicherungswissenschaft 92 (2003) 3, S. 507-532. Autor![]() Prof. Dr. Peter Mertens, Universität Erlangen-Nürnberg, Lange Gasse 20, 90403 Nürnberg |