Unterscheidung: Daten, Information, Wissen
Da die Nutzung von Informations- und Kommunikationstechniken als
Datenverarbeitung, Informationsverarbeitung und oft auch als Wissensverarbeitung
bezeichnet wird, legt dies nahe, Daten, Information und Wissen seien das
gleiche. Die ist sicherlich nicht der Fall, obgleich der Inhalt des Begriffes
Information nach wie vor kontrovers diskutiert wird.
Bevor ausführlich auf die Auffassungen von Information eingegangen wird, sollen
an einem einfachen Beispiel Zusammenhänge zwischen Zeichen, Daten und Information
dargestellt werden:

Abb. 1: Beziehungen zwischen den Ebenen der
Begriffshierarchie [in Anlehung an Rehäuser/Krcmar 1996, S. 6]
Auf der untersten Ebene befindet sich ein großer Vorrat
verschiedener Zeichen als Basis aller weiter oben angesiedelten Begriffe.
Werden die Zeichen einem Alphabet zugeordnet, kann man von Daten sprechen. Die
Anreicherung mit zusätzlichem Kontext verschafft den Daten Bedeutung, so dass
Information entsteht, bspw. darüber, dass mit 0,64 der Wert des Dollars in EURO
gemeint ist.
Zentrale Aspekte des Informationsbegriffs
Im Folgenden werden aus der Fülle der Literatur über den
Begriff zentrale Aspekte herausgegriffen, die im Kontekt der
Wirtschaftsinformatik von besonderer Bedeutung sind: Neben der
allgemeinsprachlichen Verwendung sind das die nachrichtenorientierte
Perspektive, die semiotische Analyse und das betriebswirtschaftliche
Verständnis von Information.
Allgemeinsprachliche Verwendung
Die allgemeinsprachliche Verwendung von Information
berücksichtigt, dass jeder täglich mit Informationen aller Art konfrontiert
wird. Dies gilt für das Aufschlagen einer Zeitung ebenso wie für den Prozess des
„sich Informierens“, wenn man in einer fremden Stadt ankommt und sich bei der
„Information“ erkundigt. Diesen umgangssprachlichen Gebrauch definiert Seiffert
[1971, S. 24] so: „Information ist eine [...] gegenwarts- und praxisbezogene
Mitteilung über Dinge, die uns im Augenblick zu wissen wichtig sind.“
Etymologisch lässt sich Information aus dem lateinischen „informatio“ ableiten,
während „informare“ mit den Bestandteilen „in“ und „forma“ „eine Gestalt geben“
bedeutet.
Nachrichtenorientierte Perspektive
Die Nachrichtentheorie reduziert den Informationsbegriff auf
Mitteilung und Nachricht (Shannon/Weaver 1976). Information wird verstanden als
„diejenige Unsicherheit, die durch das Erscheinen des betreffenden Zeichens
beseitigt wird“ [Gitt 1989, S. 4]. Der nachrichtentechnische
Informationsbegriff versucht, den Informationsgehalt eines Zeichens zu
ermitteln, um daraus Hinweise zur Codierung abzuleiten. Der Informationsgehalt
wird durch die Wahrscheinlichkeit des Auftretens eines Zeichens im Rahmen einer
Nachricht gemessen. Mit abnehmender Auftretenswahrscheinlichkeit nimmt die
Überraschung durch das Erscheinen eines Zeichens zu, also auch sein
Informationsgehalt.
Indem sich die Informationstheorie mit der
Auftretenswahrscheinlichkeit von Zeichen befasst, wird der Informationsbegriff
auf eine statistische Dimension reduziert. Dies erlaubt, und darin liegt der
Vorteil dieser Begriffsbildung, quantitative Aussagen über den
Informationsgehalt von Zeichen, so dass die Übertragung durch
Nachrichtenübertragungskanäle besser untersucht werden kann. Diese Art der
Analyse versteht Information als eine Auswahl und Aneinanderreihung von
Zeichen. Die informationstheoretische Sicht zeigt nicht, inwieweit bspw. ein
Satz oder Wort verständlich, richtig, falsch oder ohne Bedeutung ist.
Semiotische Analyse
Die Semiotik untersucht als
eine allgemeine Lehre von Zeichen und Zeichenreihen die Aspekte Syntaktik, Semantik,
Sigmatik und Pragmatik (vgl. Abbildung 2):

Abb. 2: Syntaktik, Sigmatik, Semantik und Pragmatik [Berthel 1975, S. 1869]
-
Die Syntaktik oder Syntax befasst sich mit der
Beziehung zwischen den Zeichen eines Sprachsystems, also den durch Konvention
festgelegten Regeln einer Sprache, nach denen einzelne Zeichen zu gültigen
Ausdrücken und Sätzen kombiniert werden können.
-
Die
Semantik befasst sich mit der möglichen
inhaltlichen Bedeutung von Zeichen. Sie untersucht sowohl die Beziehung
zwischen dem Zeichen und seiner Bedeutung als auch die Beziehung zwischen dem
Zeichen und dem bezeichneten Objekt (Sigmatik).
-
Die
Pragmatik schließlich bezieht sich
auf die Relation zwischen dem Zeichen und seinem Verwender, d.h. auf die
Absicht, die der Sender der Information verfolgt.
Die semiotische Analyse der Information vermag die
Beziehungen zwischen dem Objekt und dem Begriff der Information genauer zu
definieren. Im Sinne der Sigmatik handelt es sich hierbei um eine Abbildung
eines bezeichneten Objekts. Regeln, nach denen diese Abbildung erfolgen kann,
werden durch die Syntaktik gebildet. Semantik nimmt an, dass Inhalt (also Daten)
und seine Bedeutung separat und voneinander trennbar sind. Der
Verwendungszusammenhang wird als Pragmatik bezeichnet.
Betriebswirtschaftliches Verständnis
Die
Betriebswirtschaftslehre hat dem Begriff „Information“ im Lauf der Zeit
zunehmende Beachtung geschenkt. Die vielzitierte Definition „Information ist
zweckbezogenes Wissen“ [Wittmann 1959, S. 14], setzt den Begriff der
Information in den Verwendungszusammenhang, wirft jedoch zwei weitere Probleme
auf: Zum einen „Was ist Wissen?“ und zum anderen „Was bedeutet zweckbezogen?“.
Es ist zwar sprachlich möglich, aber nicht besonders zweckmäßig, den Begriff
„Information“ durch den erst zu definierenden Begriff „Wissen“ zu umschreiben.
Zweckorientierung bedeutet in diesem Zusammenhang, dass nur solches Wissen als
Information bezeichnet wird, das dazu dient, Entscheidungen oder Handeln
vorzubereiten.
Dies
hat zur Aufwertung von Information zum Produktionsfaktor im betrieblichen
Leistungserstellungsprozess geführt. In volkswirtschaftlichen
Produktionsfaktorsystemen werden die Produktionsfaktoren Arbeit, Boden bzw.
Natur- und Sachkapital unterschieden. Innerhalb der Betriebswirtschaftslehre
greift man zunächst auf die Faktorsystematik nach Gutenberg [1979] zurück, der
die Elementarfaktoren objektbezogene Arbeitsleistung, Betriebsmittel und
Werkstoffe sowie dispositive Faktoren (Betriebs- und Geschäftsleitung,
Organisation und Planung) unterscheidet. Diese Klassifikation verwendet er als
Grundlage seiner produktions- und kostentheoretischen Überlegungen. Die
Kombination der Ressourcen bestimmt dabei das Ergebnis unternehmerischen
Handelns.
Die von
Gutenberg vorgelegte Systematik wurde von anderen Autoren modifiziert und explizit
um Information erweitert [Mag 1984; Pietsch et al. 1998; Zimmermann 1972].
Witte [1972, S. 64] beschreibt Information als eine „immaterielle aber
keineswegs kostenlose Ressource“. Seitdem hat sich die Behandlung von
Information als Ressource im deutschen wie im amerikanischen Sprachraum (dort
als „Information Ressources Management“ [Horton 1981]) immer stärker
durchgesetzt.
Information
zählt unter bestimmten Voraussetzungen zu den Wirtschaftsgütern [Bode 1993, S.
61f.]. Vom technischen Mittelcharakter sind die Zweckneigung als Erfüllung oder
bei deren Mitwirkung für Zwecke eines Subjektes, das Vorhandensein und die
Verfügbarkeit im Wirkungsbereich eines Wirtschaftssubjekts und die
Übertragbarkeit von einem Wirkungsbereich in einen anderen maßgebend.
Wirtschaftlich muss eine relative Knappheit bestehen und die Information
ökonomisch geeignet sein, d.h. auf eine wirksame Nachfrage stoßen. Diese
Voraussetzungen werden bspw. vom Informationsprodukt „Konjunkturprognose“ eines
Wirtschaftsforschungsinstituts erfüllt.
Obwohl
Information zu den Produktionsfaktoren gezählt wird und Wirtschaftsgüter
darstellen kann, weist sie dennoch wesentliche Unterschiede auf, wie aus Tabelle 1, die materielle
Wirtschaftsgüter und Information gegenüberstellt, deutlich wird:

Tabelle 1: Vergleich von materiellen Wirtschaftsgütern
und Information [In Anlehnung an Pietsch et al. 1998, S. 23]
Darüber hinaus werden folgende Eigenschaften von Information
erwähnt [Eschenröder 1985; Picot 1988; Picot et al. 2003; Pietsch et al. 1998;
Strassmann 1982]:
-
Informationen
sind immaterielle Güter, die auch bei mehrfacher Nutzung nicht verbraucht
werden.
-
Informationen
stiften dem Informationsbenutzer Nutzen, bspw. wenn sie in Handeln umgesetzt
werden.
-
Informationen
sind keine freien Güter, sie können daher einen kostenadäquaten Wert haben.
-
Der
Wert der Information hängt von der kontextspezifischen und von der zeitlichen
Verwendung ab.
-
Der
Wert der Information kann durch das Hinzufügen, Selektieren, Konkretisieren und
Weglassen verändert werden. Information ist erweiterbar und verdichtbar.
-
Es
gibt unterschiedliche Qualitäten von Informationen, wie z. B. Genauigkeit,
Vollständigkeit, Zeitgenauigkeit und Zuverlässigkeit.
-
Informationen
können mit Lichtgeschwindigkeit transportiert werden, auch wenn die der
Information zugrunde liegenden Gegenstände (Bezeichnetes) nicht mit der
gleichen Geschwindigkeit transportiert werden können.
-
Käufer
erhalten Kopien, so dass sich die Durchsetzung exklusiver Rechte insbesondere
Eigentumsrechte als schwierig erweist.
-
Informationen
werden kodiert übertragen, daher sind für ihren Austausch gemeinsame Standards
notwendig.
Modellcharakter von Information
Aus diesen Unterschieden lässt sich eine von den
Managementaufgaben der materiellen Produktionsfaktoren abweichende Behandlung
der Ressource Information begründen.
Wesentlich ist dabei der bereits in der Semiotik angesprochene
Modellcharakter von Information. Steinmüller [1981, S. 73] schlägt deshalb vor,
den Begriff „Information“ durch „ein immaterielles Modell eines Originals für
Zwecke eines Subjekts“ zu ersetzen.
Information, Informationssysteme und Informationsprozess sind als
Modell eines Objekts zu verstehen, das über die semiotischen Relationen
abgebildet wird. Dies dient den Verwendungszwecken eines Subjekts, das wiederum
eine Verhaltensbeziehung zum Original hat. Genaugenommen trifft der Satz
„Wissen ist Macht“ nicht zu, sondern „Information ist nicht Macht, sondern
ermöglicht Machtausübung“ [Steinmüller 1981, S. 73f.].
Die Modellierung der Objektrealität lässt sich auch als
Interpretation durch das Subjekt verstehen; Information ist dann Ergebnis und
Anlass einer solchen Interpretation, sie kann aber auch selbst wiederum Objekt
und damit Interpretations- und Modellierungsgegenstand sein.
Dieses Verhältnis zwischen Subjekt, Information und Original ist in Abbildung 3 dargestellt:

Abb. 3: . Information ist
„Modell-wovon-wozu-für wen“ [Steinmüller 1993, S. 178]
Information ist einerseits abstraktes Modell und
andererseits bei Übertragung und Speicherung immer an physikalische Signale
gebunden. Diese Dualität bedeutet, dass Informationen, obwohl sie Modelle einer
physischen Realität darstellen, doch selbst physische Realität sind.
Literatur
Berthel, J.: Information. In Grochla, E.;
Wittmann, W. (Hrsg.), Handwörterbuch der Betriebswirtschaft (S. 1860-1880).
Stuttgart: Schäffer-Poeschel, 1975.
Bode, J.: Betriebliche Produktion von
Information. Wiesbaden: Deutscher Universitäts-Verlag, 1993.
Gitt, W.: Information: Die dritte Grundgröße
neben Materie und Energie. Siemens-Zeitschrift 4 (1989), 4-9.
Gutenberg, E.: Die Produktion (Band 1). (24.
Auflage). Berlin et al.: Springer, 1979.
Horton,
F.W.: The Information Management Workbook: IRM made simple. Washington
DC: Information Management Press, 1981.
Mag, W.: Informationsbeschaffung. In Grochla,
E.; Wittmann, W. (Hrsg.), Handwörterbuch der Betriebswirtschaft (Band 1, S.
1882-1894). Stuttgart: Schäffer-Poeschel, 1984.
Picot, A.: Strategisches
Informationsmanagement. Siemens Magazin COM 3 (1988), 11-15.
Picot, A.; Reichwald, R.; Wigand, R.T.: Die grenzenlose
Unternehmung – Information, Organisation und Management. (5. aktualisierte
Auflage). Wiesbaden: Gabler, 2003.
Pietsch, T.; Martiny, L.; Klotz, M.:
Strategisches Informationsmanagement. Bedeutung und organisatorische Umsetzung.
(3. vollständig überarbeitete Auflage). Berlin: Schmidt, 1998.
Rehäuser, J.; Krcmar, H.: Wissensmanagement im
Unternehmen. In Schreyögg, G.; Conrad, P. (Hrsg.), Wissensmanagement (Band 6,
S. 1-40). Berlin, New York: de Gruyter, 1996.
Seiffert, H.: Information über die Information:
Verständigung im Alltag, Nachrichtentechnik, wissenschaftliches Verstehen,
Informationssoziologie, das Wissen der Gelehrten. (3. Auflage). München: Beck, 1971.
Shannon, C.E.; Weaver, W.: Mathematische
Grundlagen der Informationstheorie. München: Oldenburg, 1976.
Steinmüller, W.: Eine sozialwissenschaftliche
Konzeption der Informationswissenschaft. Nachrichten für Dokumentation, 23 (1981) Nr. 2,
69-80.
Steinmüller, W.: Informationstechnologie und
Gesellschaft: Einführung in die Angewandte Informatik. Darmstadt:
Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1993.
Strassmann, P.: Overview of Strategic Aspects
of Information Management. Technology and People 1 (1982), 71-89.
Witte, E.: Das Informationsverhalten in
Entscheidungsprozessen. In Witte, E. (Hrsg.), Das Informationsverhalten in
Entscheidungsprozessen (S. 1-88). Tübingen: Mohr, 1972.
Wittmann, W.: Unternehmung und unvollkommene
Information. Köln, Opladen: Westdeutscher, 1959.
Zimmermann, D.: Produktionsfaktor Information.
Neuwied, Berlin: Luchterhand, 1972.
Autor
Prof. Dr. Helmut Krcmar, Technische Universität München, Fakultät Informatik, Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik, Boltzmannstr. 3, 85748 Garching
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